Warum und in welchem Stadium einer Beziehungskrise Paare eine Paarberatung nutzen oder was sie davon abhält und ob die Beratung ihnen hilft: Das thematisiert jetzt ein Artikel in der „Beratung Aktuell – Zeitschrift für Theorie und Praxis in der Beratung“. Der Beitrag von Prof. Dr. Mathias Berg und Sarah Ledwon fußt auf Erkenntnissen, die unter anderem durch Befragungen von Klientinnen und Klienten der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster (EFL) gewonnen wurden.
Warum die EFL die Studie unterstützt und begleitet hat, erklären die Psychologinnen Carolin Landers, Leiterin der EFL Beratungsstellen in Wesel und Dinslaken, und Dr. Miriam Finkel-dei von der EFL Borken. Sie wissen um den Einfluss einer gelingenden Paarbeziehung auf die körperliche und seelische Gesundheit sowie auf gesellschaftlich wichtige Faktoren wie bei-spielsweise Arbeitsfähigkeit oder Kinderwunsch. Deshalb sei es ein „zentrales Anliegen der EFL, Paare auf ihrem gemeinsamen Weg und den damit verbundenen Entwicklungsschritten und Herausforderungen – dazu gehören eben auch Krisen – zu begleiten und zu unterstützen.“ Trotz großer Nachfrage nach Beratung gebe es im deutschsprachigen Raum bislang wenig Studien zur Paarberatung, ihrer Inanspruchnahme und Wirksamkeit.
Um diese Lücke zu schließen, fördere die EFL des Bistums Münster mit einer eigenen Stabs-stelle „Hochschulkooperation“ den Austausch mit Wissenschaft und Forschung. So könne die EFL die Qualität ihrer Beratung überprüfen und weiterentwickeln und umgekehrt die Forschung Erfahrungen aus der Praxis erhalten. „Gelungene Feldforschung unterstreicht und befördert den Stellenwert der professionellen Beratung für Paare und Familien“, bekräftigt Berg. Der Fachmann, der am Standort Aachen der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) tätig ist und im Masterstudiengang Ehe-, Familien- und Lebensberatung forscht und lehrt, sagt: „Trotz stärkerer Bemühungen in den vergangenen Jahren gibt es leider immer noch so wenige empirische Erkenntnisse aus der Beratungsforschung, dass auch kleinere Studien schon einen Gewinn darstellen.“ Der Artikel ist dafür ein Beispiel. Dafür haben Ledwon und Berg 241 Klientinnen und Klienten befragt. 133 Fragebögen wurden in 19 Beratungsstellen im Bistum Münster ausgefüllt.
Im Ergebnis sind es vor allem Ehepaare, die die Beratung nutzen. Sie suchen diese auf, wenn sie das Paarproblem bereits als hoch belastend wahrnehmen und die eigenen Lösungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Gut ein Fünftel der Paare schämt sich, professionelle Hilfe von außen für Beziehungsprobleme anzunehmen. Zudem wissen viele Paare nicht vom Angebot kostenfreier Paarberatung. Paare, die sich Hilfe suchen, wünschen sich laut Ledwon und Berg, zusammenzubleiben, und wollen ihre Probleme gemeinsam angehen. Sie wollen ihre Beziehung aus Liebe wieder in Einklang bringen und aus ihren Fehlern lernen.
Die vier am häufigsten angegebenen Auslöser für die Beziehungsprobleme waren die Geburt des Kindes, gefolgt von Fremdgehen / Außenbeziehungen, psychischen Störungen und Problemen mit dem Kind. Nach der Beratung, fanden die Forschenden heraus, waren die Paare mit dieser ganz überwiegend zufrieden oder sogar sehr zufrieden.
Aus den Aussagen der Befragung folgert Ledwon – seit 2020 Sozialarbeiterin im Jugendamt der Stadt Aachen – , dass die Gesellschaft weiter sensibilisiert werden müsse „für die Notwendigkeit und das Bestehen von professionellen Hilfen für Paare. Paare sollen ungehindert frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen, ohne sich zu schämen.“ Weil die Paarbeziehung so wichtig für körperliche und seelische Gesundheit sei und sich gesamtgesellschaftlich auswirke, müssten die Hilfen in Gesundheitswesen und Familienhilfe verbreitet werden und fester Bestandteil der Versorgungsstrukturen werden.
Finkeldei und Landers sehen in der Studie „eigene Erfahrungen aus dem Beratungsalltag wiedergespiegelt. Insbesondere, dass die Paarproblematiken häufig über einen längeren Zeitraum schon bestehen und die Belastungshöhe bei Vorstellung in der Beratungsstelle unter Umständen schon sehr hoch ist.“ Frühzeitige Beratung erhöhe die Lösungschancen und beuge der Verfestigung und Verselbständigung der in Krisen manchmal auftretenden destruktiven Verhaltensweisen vor. Die EFL-Fachfrauen plädieren daher für präventive Angebote, mehr Wissen um die Möglichkeit kostenfreier Beratung und erleichterten Kontakt zu Beratungsstellen.
Ihr Dank gilt den Paaren, „die sich bereiterklärt haben, durch ihre Studienteilnahme und damit die Bereitstellung ihrer persönlichen Erfahrungen anderen Paaren den Weg zu erleichtern.“
Die Studie sei so ein Beispiel „für den positiven und beiderseits gewinnbringenden Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis – ein Austausch, den die EFL weiter vorantreiben will, beispielsweise durch eine geplante Langzeitstudie in Kooperation mit dem psychologischen Institut der WWU Münster.“
Pressedienst Bistum Münster 30.03.22