„Die Situation im Gazastreifen liefert zurzeit grausamerweise genau die Bilder, die die Terrororganisation Hamas braucht und durch die sie gestärkt wird“: Das sagt Domkapitular Ludger Bornemann aus Münster über die aktuelle Situation in Israel und speziell in Gaza. Der 69-Jährige hat 20 Jahre in dem Land gelebt, unter anderem von 2001 bis 2016 als Geistlicher Leiter des Pilgerhauses Tabgha in Tiberias am See Genezareth. Heute ist Bornemann geistlicher Begleiter der Canisianer und Rektor der Kapelle des Canisiushauses in Münster. Der Region ist er verbunden geblieben, über viele persönliche Kontakte und über seine Arbeit als Geistlicher Leiter des Deutschen Vereins vom Heiligen Land (DVHL). Wie viele Menschen sei er „erschrocken über die furchtbaren Bilder, die man aus Gaza sieht“, sagt Bornemann und stellt fest: „Die Extremisten auf beiden Seiten schaukeln sich immer weiter hoch.“ Der militantislamistischen Hamas stehe eine israelische Regierung gegenüber, in der es „eine Tyrannei der Minderheit“ durch nationalreligiöse kleine Parteien gebe. „Israel war ja immer schon ein gespaltenes Land“, gibt Bornemann zu bedenken. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei auf die Unterstützung der Hardliner in seinem Kabinett angewiesen, um an der Macht zu bleiben. Parallel werde die Gruppe enttäuschter israelischer Siedler, die unter früheren Regierungen Gaza verlassen mussten, nach Bornemanns Einschätzung einflussreicher. Dem liberaleren Lager hingegen fehle es an einer charismatischen Führungspersönlichkeit. Zu allem Übel seien auch noch die internationalen Rahmenbedingungen so ungünstig, dass auch von außen kein erfolgversprechender Beitrag zur Befriedung zu erwarten sei. So komme es auf beiden Seiten zu immer radikaleren Maßnahmen. Leidtragende sei ebenfalls auf beiden Seiten die Zivilbevölkerung. Im Gazastreifen hungere die palästinensische Bevölkerung; in Israel seien die nach wie vor von der Hamas gefangengehaltenen Geiseln und ihre Angehörigen, die Reservisten und die brachliegende Wirtschaft – zum Beispiel der Tourismus – besonders betroffen. Trotz aller Zuspitzung ist Bornemann überzeugt: „Es gibt auch in Israel Stimmen, die anders denken und keine weitere Eskalation wollen.“ So habe unter anderem der ehemalige Ministerpräsident Ehud Olmert das Vorgehen der Regierung im Gazastreifen zuletzt deutlich kritisiert. Christinnen und Christen seien zwar eine Minderheit im Land. Auch und gerade sie hätten aber, glaubt Bornemann, die Möglichkeit, diese „anderen Stimmen laut werden zu lassen“ und so zu stärken. Raum dafür böten etwa christliche Einrichtungen wie die Schmidt-Schule des DVHL in Ost-Jerusalem. An der deutschen Auslandsschule werden rund 500 christliche und muslimische Mädchen unterrichtet. „Es ist wertvoll, dass an solchen Einrichtungen weiter Gemeinschaft möglich ist und dass man dort auch gemeinsam um die Toten und die gesamte Entwicklung trauert“, sagt Bornemann. In diesem Sinne seien auch viele christliche Pilgerstätten nach Möglichkeit weiter geöffnet. Der Geistliche meint: „Es ist eine sehr, sehr verfahrene Lage. Aber wer Christ oder Christin ist, darf die Hoffnung nicht aufgeben und den Glauben daran, dass seine und ihre Gebete auch in dieser Situation helfen und Frieden wird.“
06.06.25 Pressedienst Bistum Münster